5 06, 2013

Warum die Pride wichtig ist

2019-02-18T10:04:44+01:005. Juni 2013|

Am Samstag, dem 8. Juni 2013 ist es wieder soweit.

Wieder werden Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transmenschen und die aufgeschlossenen Heterosexuellen unter dem Motto All Families Matter an einem bunten Demonstrationsumzug für ihre Rechte demonstrieren und danach auf dem Turbinenplatz und an diversen Parties die jährliche Pride feiern. Nun, ein paar Hirnverbrannte werden sicherlich auch dort sein und uns mit netten Flyern zu überzeugen versuchen, dass wir auf dem falschen Weg sind und in der Hölle landen. Aber wenn man bedenkt, dass jedes Ereignis seine Clowns (und damit meine ich nicht die Drag Queens, die sind nämlich cool) hat, ist das nicht weiter verwunderlich.

Braucht es die Pride noch?

Und jedes Jahr wird wieder die Frage gestellt, ob es die Pride überhaupt noch braucht. Wenn wir doch akzeptiert und so gleich behandelt werden wollen, müssen wir dann unsere separate Parade haben? Bringt es überhaupt noch was, für unsere Rechte zu demonstrieren? Schliesslich werden wir ja toleriert und Diskriminierung sind doch kaum noch vorhanden? Die Antwort ist ganz einfach: Und wie es die Pride braucht!

Ja, wir brauchen die Pride, um darauf aufmerksam zu machen, dass es uns gibt, dass wir ein gleichwertiger Teil der Gesellschaft sind und als solchen rechtlich und gesellschaftlich vollständig und ohne wenn und aber anerkannt werden wollen! Ja, die Toleranz gegenüber Homosexualität hat sich selbstverständlich verbessert. Wir wollen aber nicht toleriert, sondern als vollständigen und gleichwertigen Teil der Gesellschaft akzeptiert werden. Und soweit ist es erst, wenn z.B. zwei Männer keine Angst haben müssen, verprügelt oder beschimpft zu werden, wenn sie sich händchenhaltend in der Öffentlichkeit bewegen. Soweit ist es erst, wenn eine homosexuelle Beziehung als gleichwertig angesehen wird, wie eine heterosexuelle Beziehung und man kein Sondergesetz wie das „Partnerschaftsgesetz“ schafft (also eine „Ehe-light“ für Homosexuelle), statt die Ehe auch für homosexuelle Paare zu öffnen. Soweit ist es erst, wenn wir Kinder adoptieren dürfen. Soweit ist es erst, wenn die Selbstmordrate unter homosexuellen Jugendlichen nicht um ein Vielfaches höher ist, als bei heterosexuellen Jugendlichen. Soweit ist es erst, wenn wir nicht mehr Angst haben müssen, bei der Arbeit oder in der Schule diskriminiert zu werden! Soweit ist es erst, wenn Diskriminierung von LGBTs (Lesbian, Gay, Bisexuals, Trans) als genau gleich verwerflich angesehen wird, wie Rassismus und gesetzlich entsprechend geahndet wird. Soweit ist es erst, wenn die Verfolgung von Homosexuellen und Transmenschen als Asylgrund anerkannt wird (statt den Betroffenen zu raten sich in ihrem Heimatland halt nicht zu outen). Soweit ist es erst, wenn solche oder solche offene Briefe oder solche Blogs nicht mehr notwendig sind. Erst wenn jeder und jedem in diesem Land und auf der Welt bewusst wird, dass Heterosexualität nicht normaler, sondern häufiger ist, erst dann haben wir die vollständige Akzeptanz erreicht.

Es muss also noch einiges getan werden, bis eine Demonstration für unsere Rechte nicht mehr notwendig ist. Dabei sei daran erinnert, dass wir gerade in den letzten Wochen wieder schreckliche Bilder aus nicht allzu fernen Ländern gesehen haben, wo Prides verboten oder die Teilnehmenden attackiert wurden.  Aber selbst wenn die Demonstration für unsere Rechte irgendwann nicht mehr notwendig sein sollte, will ich diese Pride noch haben. Es geht bei der Pride nämlich nicht nur darum, für unsere Rechte zu demonstrieren, sondern auch darum, das Erreichte zu feiern. Wir können feiern, dass Homosexualität (zumindest bei uns) nicht mehr verboten ist. Wir können feiern, dass Homosexualität nicht mehr von der Weltgeshundheitsorganisation als Krankheit angesehen wird (als was sie bis 1992 galt). Und nicht zu vergessen der Ursprung der Pride (die ja eigentlich Christopher Steet Day heisst), als 1969 Homo- und Transmenschen sich in New York gegen Razzien und Verhaftungen durch die Polizei wehrten und sich deswegen tagelange Strassenschlachten mit der Polizei lieferten.

Zerstören die Paradiesvögel unseren Ruf?

Immer wieder hört man, dass die Bilder, die in den Medien über die Pride portiert werden, den „Ruf der Schwulen und Lesben zerstören.“ Immer wieder heisst es, dass die schrillen Drag Queens, die Transvestiten oder die halbnackt tanzenden Männer ein falsches Bild vermitteln und Vorurteile uns gegenüber zementieren würden. Nur schon dieser Gedankengang zeigt, wie wichtig die Pride ist. Wem und warum müssen wir irgendwas beweisen? Wie kommen wir dazu, das Gefühl zu haben, irgendetwas würde Vorurteile gegen uns rechtfertigen? Wie kommen wir dazu, uns nach irgendeinem Muster verhalten zu wollen, in der verzweifelten Hoffnung, dass wir dann gnädigerweise als das akzeptiert werden, was wir sind: genau gleichwertige Menschen wie Heterosexuelle. Egal wie die Leute aussehen oder wie ausgelassen sie tanzen, es darf nicht sein, dass sich irgendjemand darum sorgt, ob Vorurteile gegen uns zementiert werden. Denn Vorurteile sind inakzeptabel. Punkt. Egal ob sie sich gegen den „weiblichen Schwulen“, die „männliche Lesbe“, die „Federboas“ oder die „Paradiesvögel“ richten. Wir sind eine Community und gehören alle unter denselben Regenbogen. Ich will nicht akzeptiert werden, weil ich in Alltagskleidung rumlaufe. Wer mich akzeptiert, soll gefälligst einen Transmenschen oder eine Drag Queen genauso akzeptieren. Akzeptanz gibt es nicht in Sonderpackungen. Entweder man akzeptiert jedes einzelne Mitglied unserer Community oder niemanden. An dieser Stelle sollte vielleicht nochmals in Erinnerung gerufen werde, wie die Pride (also der Christopher Street Day) überhaupt entstanden ist: Es waren genau solche Transvestiten (die jetzt angeblich unseren Ruf zerstören sollen), die sich als erste der Schikane und den Razzien der Polizei widersetzten und an vorderster Front in tagelangen Strassenschlachten für unsere Rechte kämpften. Und überhaupt: Die Street Parade beispielsweise ist auch eine Parade für Liebe, Toleranz und Freiheit. Und auch da gibt es viele verkleidete Leute. Käme es jemals jemandem in den Sinn, zu befürchten, diese Leute würden den Ruf der Heteros zerstören?

Gay by Nature – Proud by Choice

Viel wurde erreicht, aber wir dürfen uns nicht zurücklehnen und einfach nur hoffen, dass weiterhin alles so bleiben wird. Es gibt religiöse Strömungen, die uns bekämpfen wann und wo sie können. Dies haben wir in den letzten Wochen eindrücklich am Beispiel des vermeintlich liberalen Frankreichs gesehen, wo Demonstrationen gegen die Öffnung der Ehe für homosexuelle Menschen zu massiven Ausschreitungen führten und zahlreiche Übergriffe an Schwulen und Lesben vorkamen. Diesen Strömungen müssen wir die Stirn bieten und der Gesellschaft zeigen, dass wir eine andere sexuelle Orientierung (oder Geschlechtsidentität) haben und trotzdem ein gleichwertiger Teil der Gesellschaft darstellen.

Daher lasst uns zeigen, dass wir stolz darauf sind, schwul oder lesbisch zu sein. Und zwar nicht stolz  auf die Tatsache, dass wir schwul oder lesbisch sind (für unsere sexuelle Orientierung können wir nichts, auch wenn ein paar Ewiggestrige das noch immer nicht begriffen haben), sondern stolz darauf, dass wir zu uns stehen können. Stolz darauf, dass wir uns unseren Platz in der Gesellschaft erkämpft haben, trotz massiver Gegenwehr und Hetze konservativer Ewiggestriger. Stolz darauf, dass wir mit unserer Sexualität zufrieden sein können und uns nicht mehr dafür schämen oder gar heilen lassen müssen (obwohl es noch immer religiöse Vereine gibt, die Heilungstherapien anbieten -auch in der Schweiz). Und alle Heterosexuelle, die am Samstag dabei sein werden, können ebenfalls mit Stolz zeigen, dass sie uns als vollständigen und gleichwertigen Teil der Gesellschaft akzeptieren.

Und an all jene, die uns verfluchen oder bemitleiden und uns entweder auf den Mond schiessen oder heilen wollen: Schaut genau hin. Wir sind viele, wir gehen auf die Strassen, wir feiern und wir kämpfen für unsere Rechte! Natürlich werdet ihr nicht aufgeben und weiterhin eure bestenfalls gut gemeinten Heilungsratschläge, schlimmstenfalls eure hasserfüllten Tiraden auf uns loslassen und gegen unsere Rechte kämpfen. Aber ihr werdet scheitern. Diskriminierungen sind ein Auslaufmodell, darum überdenkt doch nochmals eure Prioritäten.

In diesem Sinne: HAPPY PRIDE!

Das Programm der Pride kann hier abgerufen werden.

22 02, 2013

Eine Hommage ans T&M

2013-10-15T15:16:15+02:0022. Februar 2013|

Nur zu gut kann ich mich noch daran erinnern, wie ich das T&M das erste Mal betrat. Noch viel besser kann ich mich aber daran erinnern, wie ich als ungeouteter 19 jähriger mit zitternden Beinen ein paar Meter vom Clubeingang entfernt stand und wartete, bis niemand in der Nähe war, der hätte sehen können, wie ich diesen Club betrat. Meine Begleitung nervte sich bereits, als ich mich endlich dazu durchrang, durch die Eingangstüre des Clubs zu huschen.

Hier bin ich zu Hause

Mit weichen Knien lief ich die Treppen in den Club hoch, gab meine Jacke am Eingang ab und betrat das bereits relativ volle T&M. Die Musik dröhnte, aber mein Herzschlag pochte lauter in meinen Ohren. So viele Männer hatte ich in einem Club noch nie gesehen. Und dann erst noch alle schwul. In einer Selbstverständlichkeit tanzten da Männer zusammen, eng umschlungen, ausgelassen, küssend, fröhlich. Meine Angst verflog. Ich war zu Hause. Endlich Leute wie ich. Leute, die so sind wie ich innerlich seit ich denken kann war und es nie sein wollte, weil ich es als abnormal empfunden hatte. Schliesslich war mir das auch lange so eingetrichtert worden. Und da ich niemanden kannte, der auch so war wie ich, fast ausschliesslich negatives darüber gehört hatte und schwul ein gängiges Schimpfwort unter Jugendlichen gewesen war, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es viele gibt, sie so abnormal wie ich sind. Und nun stand ich in diesem Club. Die Lichter flackerten, die Rauchmaschine tauchte die Tanzfläche in Nebel, die Leute sangen, tanzten, sprangen rum, kletterten auf ein paar Stufen, die mitten im Club als „Bühne“ diente, um ihre Tanzbewegungen vorzuführen. Gierig sogen meine Augen alles auf, während ich meine erste Runde durch den Club drehte, an den Sitzmögilchkeiten vorbei, durch die Toiletten, wo Männer auch in einer Selbstverständlichkeit die Frauentoiletten benutzten, was die wenigen Frauen nicht mal zu stören schien. Es war einfach alles wunderbar. Ein besseres Osterwochenende hätte ich mir nicht vorstellen können.

Apropos Ostern. Der Club war nach dem Motto „Kirche“ eingerichtet. Die Sitzmöglichkeiten waren wie Kirchenstühle dekoriert, über der Bar hingen nackte „Kens“ mit Engelsflügeln, die Wände waren mit christlichen Figuren wie der Jungfrau Maria bemalen. Ich verbrachte also diesen Abend an einem Osterwochenende mit küssenden Männern vor den Augen der Jungfrau Maria. IN YOUR FACE, schoss es mir durch den Kopf, während ich dabei an den ultrareligiösen Teil meiner Familie dachte.

Als ich danach den zweiten Stock betrat (den dazugehörenden Club „Aaaah“) mit der harten Elektromusik und der kleineren Tanzfläche, wurde mir etwas mulmig. Ein Gang führte nämlich von der Tanzfläche weg zu den brühmt berüchtigten Dark-Rooms. Also jene Räume, die dunkler waren und man sich verziehen konnte, um Sex zu haben. Ängstlich lief ich hinter meiner Begleitung durch diese abgedunkelten Gänge und spürte eine merkwürdige Mischung aus Faszination und Angst in mir hochsteigen (rückblickend lache ich heute noch über diese Angst). Gab es das wirklich? Auf den Fernsehern, die überall rum hingen, liefen nicht jugendfreie Filme und es hockten Männer rum, deren Blicke meine Nervosität ins Unermessliche steigen liess. Schnell verliessen wir die obere Etage wieder und verbrachten die Nacht im unteren Teil, also im T&M.

Ein Ort für alle

Ab diesem Zeitpunkt verbrachte ich im Verlaufe der Jahren viele witzige, ausgelassene, spannende, feuchtfröhliche Nächte im T&M.

Die Dekoration änderte sich mit der Zeit (vom Thema Kirche zum Thema Sport zum Thema Zukunft zum Thema Aliens zum Thema Disco), mit der Zeit kannte man die meisten Leute, obwohl auch immer wieder neue Leute dazu stiessen. Mal verbrachten wir jedes Wochenende in diesem Club, mal mieden wir ihn wochenlang. Aber wir kehrten immer wieder zurück. Die ausgelassensten Partys, interessante Bekanntschaften oder auch Ablenkungen, wenn man niedergeschlagen war, das T&M war für alles die beste Adresse.

Nirgends trafen alle Angehörigen der schwullesbischtransgender Community so zusammen wie im T&M. Ob die jungen Schwulen, die Dragqueens, die shirtlosen Muskelmänner, die Hip Hopper, die Skater, die (selbsternannten) Models, die Hipster, etc. etc., alle verkehrten im T&M. Jede Farbe des berühmten Regenbogens fand sich im T&M wieder. Auch jene, die es niemals zugeben würden.

Vielleicht lag es gerade am Punkt, dass das T&M jedes Publikum anzog und lange bestand, aber das Lästern über diesen Club verkam teilweise geradezu zum schwullesbischen Volkssport. Niemals würde man ins T&M gehen, der Club sei doch total trashig, die Leute nervig, die Musik schlecht, an allem hatte man etwas auszusetzen, nur cool finden, das konnte man das T&M (aus mir bis heute unerfindlichen Gründen) nicht. Und wenn man dann genau jene Leute, die sich am lautesten das Maul über den Club zerrissen, tanzend auf der Tanzfläche des T&Ms wieder traf, kriegte man mässig originelle Ausreden zu hören („ich wurde von meinen Freunden hergeschleppt, bin sonst nie da“ die häufigste aller schlechten Erklärungen), für die man eigentlich gar nicht gefragt hätte.

Die Dark-Room Kontroverse

Zwischendurch flackerten künstliche, völlig überflüssige Skandale auf, wie die Diskussion darüber, ob man Dark-Rooms in einer Disco verbieten muss. Politiker und Politikerinnen, die noch nie einen Fuss ins T&M gesetzt hatten und unter Ausgang wahrscheinlich einen (durch Ohropax geschützten) Besuch in der Oper verstehen, liessen sich in Medien zitieren, dass „Sex nicht in eine Gaststube gehöre“, fromme Mitbürgerinnen und Mitbürger überboten sich mit Horrorstorys, was in diesen Dark-Rooms alles passiere, während man den Moralfinger hob und davon sprach, dass dies sofort gestoppt werden müsse. Glücklicherweise haben sich die verkorksten Moralvorstellungen nicht durchgesetzt. Ich kann mich nicht mehr erinnern, weswegen diese Diskussion überhaupt aufgeflackert war, aber ich weiss noch zu genau, wie tierisch sie mich nervten. Man muss kein Dark-Room Gänger sein, um strikte gegen ein Dark-Room-Verbot zu sein. Wenn volljährige Männer in Dark-Rooms Sex haben wollen bis die dafür konzipierten Räume wackeln, hat das niemanden, aber absolut gar niemanden zu interessieren. Niemand wird gezwungen, dabei zuzuschauen geschweige denn sich in diese Dark-Rooms zu begeben. Insofern gibt es kein einziges Argument, das ein Verbot von Dark-Rooms rechtfertigen würde – im Gegenteil. An den Wänden dieser Dark-Room-Gänge prangern in leuchtender Schrift Warnungen vor Geschlechtskrankheiten und Hinweise zu Verhütungsmitteln, die da auch gratis zur Verfügung standen, womit Krankheitsrisiken an diesen Orten kleiner sind, wie bei jenen heterosexuellen Menschen, die sich nach feuchtfröhlichen Discobesuchen ohne Verhütung auf Toiletten, Rücksitze von Autos oder sonstige Orte ausserhalb der eigenen vier Wände verziehen (was heutzutage, oh Schock, einer Realität in unserer Gesellschaft entspricht). Ob man Dark-Rooms nun besucht oder nicht, sie waren Teil des T&Ms und ich bin stolz darauf, dass die Besitzer sich von keinen Moralaposteln aus der Politik einschüchtern lassen haben und diese umstrittene Räume bis heute noch zum festen Inventar des T&Ms gehören.

Unverständlicher Hass

Sämtliche heterosexuellen Freundinnen und Freunde von mir, die noch nie einen Gay-Club von innen gesehen hatten und ein- (oder mehrmals) mit ins T&M kamen, waren vom Club sehr positiv überrascht, von der Stimmung begeistert und vom Angebot einer Dark-Room-Zone fasziniert. Keine Pöbelein, keine Schlägereien, keine aggressive Stimmung, wie dies in heterosexuellen Clubs teilweise der Fall ist. Der einzige Streit, den man im T&M zwischen den Leuten mitbekam, waren Fragen wie, ob jetzt Kylie oder Madonna, Britney oder Christina besser sind und die einzigen Konkurrenzkämpfe, die zu beobachten waren, bestanden darin, wer die besseren Tanzmoves auf der Treppe/Bühne drauf hatte.

Oft ertappte ich mich dabei, wie mein Blick durch die tanzenden, singenden, lachenden Gesichter des T&Ms Publikums schweifte und ich mich dabei fragte, wie es überhaupt möglich sein konnte, dass Menschen wie wir aufgrund unserer sexuellen Orientierung diskriminiert oder abgewertet werden. Worin um alles in der Welt besteht die Gefahr, die all die Homophoben da draussen in uns sehen? Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass küssende oder händchen-haltende Männer ausserhalb von Orten, wie es das T&M einer ist, Angst haben müssen, aufgrund ihrer Gefühle angepöbelt zu werden? Selbstverständlich gibt es auch unter Schwulen Menschen, die man unsympathisch findet, mit denen man schlechte Erlebnisse gemacht hat, die man nicht ausstehen kann. Aber jedes Mal, wenn mein Blick in diesen Momenten über das ausgelassene Publikum in einem T&M schweifte, schwor ich mir aufs Neue, den Kampf für eine vollständige Akzeptanz von Homo-, Bi- und Transsexuellen zu meinem politischen Hauptziel zu machen, für das ich unermüdlich kämpfen werde. Jedes mal schöpfte ich erneut Kraft, um auch dann unbeirrt und entschlossen zu bleiben, wenn man augenrollend wieder fragt „ihr habt ja vieles erreicht, was wollt ihr denn jetzt schon wieder?“ Und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dies politisch oder taktisch klug ist, aufgrund der Gefahr nur auf „Schwulenpolitik reduziert“ zu werden, wovor man mich immer wieder warnt.

Ein Verlust für die Schweiz

Nun schliesst das T&M. Für immer. Damit geht nicht nur die historische Ära eines Gay-Clubs zu Ende, sondern auch ein grosses Stück Heimats- oder gar Zufluchtsort für Schwule jeden Alters aus der ganzen Schweiz. Junge Schwule, die zum ersten Mal erleben, dass sie nicht alleine auf dieser Welt sind, denen angesichts all der tanzenden, fröhlichen Menschen um sie rum bewusst wird, dass es okay ist, schwul zu sein und dass es nichts, aber auch gar nichts dran gibt, für das sie sich zu schämen brauchen. Als ich das T&M das erste Mal betrat, zitterten meine Beine und ich hatte Panik davor, dass mich jemand den Club betreten oder verlassen sehen würde. Heute bin ich stolz darauf, in der Öffentlichkeit für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transmenschen kämpfen zu können. Und auch das T&M hat einen wesentlichen Teil dazu beigetragen. Darum ist es auch kreuzfalsch zu meinen, dass es im Jahre 2013 keinen „Schwulenclub“ mehr in Zürich braucht. Im Gegenteil, Schwulenclubs wird es immer geben müssen. Denn auch wenn die Akzeptanz Homo-, Bi- und Transsexueller zunehmend besser wird, wird es immer Orte geben, an die wir uns „zurückziehen“ können, wo wir nicht befürchten müssen, aufgrund unserer angeborenen sexuellen Orientierung angepöbelt zu werden, wo wir wissen, wir sind unter Gleichgesinnten und schlicht, wo wir einfach sein können, wer wir sind! Es ist daher richtig, wichtig und darum sehr erfreulich, dass ab März mit dem „Heaven of T&M“ ein neuer Club eröffnet wird, der für all diese Dinge steht. Und wenn noch ein zweiter solcher Club entstehen sollte (was gemäss Gerüchten in Planung ist), ist dies ebenfalls zu begrüssen.

Das T&M wird in die (Schwulen)Geschichte Zürichs eingehen und für immer einen wichtigen und positiven Platz in der Erinnerung unzähliger Schwulen behalten, für die das T&M viel mehr, als einfach eine Disco war.

31 10, 2012

Der Angriff der CVP

2013-10-28T12:14:48+01:0031. Oktober 2012|

Es ist wieder einmal soweit. Die Konservativen unsere Landes blasen (heimlich) zum Angriff gegen homosexuelle Paare. Diesmal, und das ist am Angriff besonders perfid, kommt der Angriff durch die Hintertür, versteckt in einem Paket, das eigentlich familienfreundlich klingt.

Die CVP hat genügend Unterschriften für die Initiative zur „Abschaffung der Heiratsstrafe“ beisammen. Dabei will sie die „steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Benachteiligung“ von verheirateten Paaren abschaffen. Gleichzeitig will die Initiative in der Schweizer Verfassung festschreiben, dass die Ehe eine Verbindung zwischen Mann und Frau ist.

Der Text lautet

Art. 14 Abs. 2 (neu)
2 Die Ehe ist die auf Dauer angelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau. Sie bildet in steuerlicher Hinsicht eine Wirtschaftsgemeinschaft. Sie darf gegenüber andern Lebensformen nicht benachteiligt werden, namentlich nicht bei den Steuern und den Sozialversicherungen.

Damit bläst die CVP zu einem unverfrorenen Frontalangriff gegen homosexuelle Paare. Sie will dafür sorgen, dass homosexuelle Paare niemals eine Ehe eingehen dürfen. Denn die Verfassung ist der zentrale, grundlegende Rechtsbestand eines Staates. Darin werden die wichtigsten (Grund)Rechte festgehalten, gegen die kein Gesetz oder Verhalten verstossen darf. Und nun sollen all die Grundrechte unserer Verfassung mit einer Diskriminierung ergänzt werden. Das kommt uns bekannt vor. Die ultrakonservativen Republikaner in den USA haben mehrmals versucht, eine solche Definition der Ehe in die Verfassung der USA zu schreiben.  Bisher sind sie immer wieder gescheitert. Die CVP versucht also das, was den Ultrakonservativen in den USA bisher noch nicht gelungen ist und verknüpft dies mit einem populären Anliegen.

Die CVP, die in Zürich zwar mit homosexuellen Paaren auf Plakaten versucht, sich einen modernen Anstrich zu verpassen, will also tiefstes Mittelalter in die Verfassung festschreiben.

Im Klartext diskriminiert die CVP Initiative homosexuelle Paare gleich doppelt:

  1. homosexuelle Paare sollen niemals heiraten dürfen.
  2. gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaften homosexueller Paare (geregelt durch das Partnerschaftsgesetz) dürfen benachteiligt werden, heterosexuelle gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaften nicht.

Es liegt nun an (den moderaten Kräften innerhalb) der CVP zu beweisen, dass es ihr nicht um konservative Symbolpolitik, sondern um finanzielle Fragen und einzig und allein um eine finanzielle Besserstellung von Eheleuten (unabhängig davon, ob das in Zukunft auch einmal gleichgeschlechtliche Paare sein können) geht. Dazu  muss sie Hand für einen Gegenvorschlag bieten, der diese Definition einer Ehe nicht beinhaltet und nur die finanzielle Benachteiligung thematisiert. Sollte sie dazu nicht bereit sein, beweist sie ihre Absicht, bewusst homosexuelle Paare per Verfassung diskriminieren zu wollen – und missbraucht dazu erst noch die finanzielle Situation heterosexueller Ehepaare.

Eine solch ewiggestrige, mittelalterliche und diskriminierende Definition der Ehe passt zwar zum Gedankengut des CVP Präsidenten, der Kinder von homosexuellen Paaren mit Kokain vergleicht. Im Jahr 2012 gehört diese Definition aber in keine Gesellschaft und schon in gar keine Verfassung. Im Gegenteil – in der heutigen Zeit sollte es keinen Unterschied mehr machen, ob eine gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft aus zwei Männern, zwei Frauen oder einem Mann und einer Frau besteht. Darum ist auch eine Unterscheidung zwischen einem Partnerschaftsgesetz (also der gesetzlich geregelten Lebensgemeinschaft zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren) und der Ehe (gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau) völlig überholt und nicht mehr zeitgemäss. Eine Ehe einzugehen muss das Recht von jedem volljährigen Menschen sein und kein heterosexuelles Privileg darstellen!

Diese Initiative muss daher von der LGBT Community und allen auch nur halbwegs moderat und liberal denkenden Menschen entschlossen und mit allen Mitteln bekämpft werden, um zu zeigen, dass wir niemals zulassen werden, dass man die Verfassung mit Diskriminierungen von Homosexuellen verunstaltet. Packen wirs an!

Mehr zum Thema: Wir wollen die ganze Salami.

 

 

 

26 09, 2012

Danke Ensy (Nachtrag zum offenen Brief)

2013-10-15T15:45:19+02:0026. September 2012|

Ensy hat auf meinen offenen Brief reagiert und in der Kommentarfunktion persönlich Stellung genommen:

ENSY schrieb am 26. September 2012 09:50:

Hallo Alan 

Ich habe deinen offenen Brief nun durchgelesen. Ich bin der gleichen Meinung, dass Beleidigungen und Diskriminierung schlecht sind. Darauf können wir uns definitiv einigen. desweiteren möchte ich mich hier mit meinem öffebntlichen Statement bei Dir und bei vielen anderen Schwulen, die durch meinen Beihtrag verletzt wurden entschuldigen:

Ich möchte mich ausdrücklich und in aller Form bei allen Leuten, die sich durch meinen Post beleidigt fühlen, entschuldigen. Meine Einstellung zu Homosexuellen ist eher kritisch, nichts desto trotz ist meine Wortwahl im vorgestrigen Facebook-Beitrag unverzeihlich. Ich bin gegen jegliche Form von Diskriminierung und distanziere mich hiermit von den radikalen Aussagen und Beleidigungen explizit.

Freundliche Grüsse
Ensy

Weiter hat er sich sowohl auf seiner Facebookseite als auch gegenüber tillate/20min und Joiz öffentlich und deutlich für seine Aussagen entschuldigt. In einem Telefongespräch hat er mir auch  versichert, dass seine Aussagen eine Affekthandlung waren und keineswegs seine wirkliche Haltung gegenüber Homosexuellen repräsentiere. Der Vorfall habe ihm auch die Augen geöffnet. Er respektiere uns und spreche sich deutlich gegen Diskriminierungen jeglicher Art aus.

Wie ich bereits mehrmals geschrieben habe, sollten wir Diskriminierungen gemeinsam bekämpfen, statt uns gegenseitig zu bekriegen. In meinem Brief an Ensy habe ich ihm darum die Hand ausgestreckt und den Vorschlag gemacht, gegen jegliche Form von Diskriminierungen zu sein.  Unter den Reaktionen darauf waren viele, die dies „bei Menschen wie ihm“ als sinnlos erachteten. Ensy hat den Vorschlag aber angenommen und damit auch all jenen, die dies nicht für möglich gehalten hätten gezeigt, dass der Versuch, aufeinander zuzugehen der bessere Weg ist, statt in den Schützengräben zu verharren. Dafür ist ihm grossen Respekt zu zollen und ich hoffe, dass dies einen positiven Effekt gegen Homphobie in unserem Land hat.

Jede und jeder von uns hat sich schon unüberlegt geäussert. Gerade in Social-Media-Zeiten werden unüberlegte Aussagen schnell und leicht gemacht. Weniger leicht ist es, genauso öffentlich zu einem Fehler zu stehen und sich von gemachten Aussagen zu distanzieren. Ensy hat hier eindeutig Grösse bewiesen.

Auch wenn diese Angelegenheit nun eine erfreuliche Wendung genommen hat, ist klar, dass gegen Homophobie noch viel unternommen werden muss. Auch in der vermeintlich toleranten Schweiz ist es dafür noch ein weiter Weg. Aber auch wenn dieser Weg weit ist, er ist machbar. Ereignisse wie diese zeigen es.

 

25 09, 2012

Ein offener Brief an Rapper Ensy

2013-10-17T22:27:58+02:0025. September 2012|

Lieber Ensy

Eigentlich ist es besser Beleidigungen, wie du sie geäussert hast, zu ignorieren. Da du aber nur aussprichst, was einige in diesem Land denken und ich noch Hoffnung hege, dass Ignoranz überwindbar ist, schreibe ich trotzdem ein paar Zeilen an dich.

Erst einmal frage ich dich, warum du es nötig hast, so krass über Leute wie mich herzuziehen. Was hast du davon, wenn du uns so beleidigst? Fühlst du dich dann besser? Krasser? Fördert das dein Image als Gangsterrapper? Mutig sind deine Aussagen auf jeden Fall nicht. Im Gegenteil, mutig wäre es, als Rapper hinzustehen und für Akzeptanz von Homosexuellen zu werben.

Anyway, zurück zu meiner Frage: Niemand erwartet von dir, dass du Homosexualität verstehst (jedem seinen Horizont). Warum aber die Beleidigungen? Warum nicht einfach leben und leben lassen? Was stört es dich, wenn sich Männer „kräftig in den Hintern geben“ und warum soll das eine Straftat sein? Mal ganz abgesehen davon, dass mich deine Faszination zu diesem Thema erstaunt (immerhin bietest du Dildos für Schwule als Geschenk an und beschreibst, was Männer damit machen können, was mich auch an Studien erinnern, die besagen, dass viele Schwulenhasser selber nicht ganz so „100% hetero“ sind, wie du von dir auf deiner Seite schreibst), ist es doch gut für dich, wenn es homosexuelle Männer gibt. Dann gibt’s mehr von dem was du „lange Haare, Brüste, runder Po und Muschis“ nennst, für dich!

Aber wenn du schon die Religion als Grund für deine Ablehnung ins Spiel führst, lass mich dir ein wenig Nachhilfe dazu geben. Im Koran steht nichts, aber auch rein überhaupt gar nichts ausdrücklich über Homosexualität. Nichts! Niente! Nada! Natürlich gibt es Passagen, die so gedeutet werden könnten, wenn man denn will, aber eine ausdrückliches Verbot steht nicht.Hier, hier und hier hast du sonst ein paar Interpretationen dazu. Was allerdings steht, sind Dinge wie „sag den gläubigen Männern, sie sollen (statt jemandes anzustarren, lieber) ihre Augen niederschlagen, und ihre Keuschheit bewahren“ (Sure 24 Vers 30). Das heisst, dass was du über die Brüste und die „Muschis“ schreibst oder das Angebot, dass du Alicia Parel gemacht hast, etwas eindeutiger verurteilt werden, als Homosexualität. Du siehst, egal wie man religiöse Bücher interpretieren will, sie sind nicht sehr geeignet, um heutzutage wortwörtlich danach zu leben.

Aussagen, wie du sie gemacht hast (und ganz viel andere Menschen machen) sind der Grund dafür, dass die Selbstmordrate unter homosexuellen Jugendlichen ein Vielfaches höher ist als bei heterosexuellen Jugendlichen. Sie sind der Grund, dass ganz viele Homosexuelle Angst haben, sich zu outen, depressiv werden oder auf der Strasse und in der Schule gemobbt oder angegriffen werden. Das kannst du doch nicht gut finden?! Und wenn dir das egal ist, stell dir doch einfach mal vor, wie du es finden würdest, wenn Leute aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer Nationalität gemobbt und angegriffen würden? Denn genauso wie diese Leute mit ihrer Herkunft oder Hautfarbe geboren werden, wurde ich als homosexueller Mann geboren (was man übrigens nicht über Religionen sagen kann, die werden einen anerzogen, womit es beim Wettbewerb was natürlicher ist, Homosexualität oder Religionen, 1:0 für Homosexualität steht, aber das spielt hier auch keine Rolle). Dass Homosexualität natürlich ist, sollte im Jahre 2012 also allen klar sein, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass Homosexualität bei 1’500 Spezies festgestellt wurde. Und wenn du diese Tatsache noch immer nicht akzeptieren willst und Homosexualität für unnatürlich hälst, nochmals die Frage: was stört es dich und was geht es dich an, in wen ich mich verliebe und mit wem ich ins Bett steige?

Siehst du, du beklagst dich darüber, dass der Islam kritisiert wird und Hass-Filme darüber gedreht werden. Aber merkst du nicht, dass Aussagen wie deine, gerade dazu führen, dass es hier noch mehr Menschen gibt, die etwas gegen den Islam haben? Du schadest mit solchen Aussagen also nicht nur dir selber, sondern deiner Religion, die dadurch noch mehr kritisiert wird. Weisst du, wer sich am meisten ab deinen Aussagen freut? Leute, die Ausländer und den Islam hassen! Und weisst du, wer verliert? Leute wie ich, die sich gegen Rassismus einsetzen. Ich finde es nämlich auch idiotisch, wenn irgendwelche Hasser den Islam mit dummen Filmen beleidigen. Niemand hat was davon, denn eine Diskussion wird dabei gar nicht gesucht, man will nur beleidigen und provozieren. Meinungsfreiheit ist wichtig, Beleidigungen sind aber ein Missbrauch der Meinungsfreiheit, denn sie haben nicht zum Ziel, eine Meinung zu äussern, sondern andere zu verletzen. Warum also tust du genau das, was du anderen vorwirfst? Wäre es nicht besser, wenn wir gemeinsam gegen Hass, Beleidigungen und Diskriminierungen vorgehen würden, statt uns gegenseitig zu bekriegen?!

Darum komm, ich mache dir einen Vorschlag: Einigen wir uns doch darauf, dass Beleidigungen und Diskriminierungen schlecht sind. Egal ob sie sich gegen Ausländer, Moslems, Dunkelhäutige, Menschen mit Behinderungen oder Homosexuelle richten. Was meinst du? Schliesslich ist das letztendlich auch der Sinn der von dir zitierten Religionen: Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Gemeinschaft, statt Hass. Hass erzeugt Gegenhass. Das nennt man einen Teufelskreis. Und den Teufel finden wir schliesslich alle (ob religiös oder nicht religiös) Scheisse.

Beste Grüsse

Alan

PS: Falls dich das Thema Adoptionsrechte für homosexuelle Paare interessiert, empfehle ich dir entweder diese Diskussion auf Joiz oder meine offenen Briefe an die beiden Nationalräte Christian Wasserfallen und hier.

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