12 12, 2011

Und es sind Menschen auf der Flucht

2013-10-10T15:19:51+02:0012. Dezember 2011|

Es ist ein unwürdiges Trauerspiel. Ein höchst unwürdiges Trauerspiel. Weltweit haben die Medien über die Menschen in Nordafrika geschrieben, die sich gegen ihre grausamen Diktatoren erhoben haben. Auch in der Schweiz. Dass solche Ereignisse Flüchtlingsströme auslösen, liegt in der Natur der Sache. Umso tragischer ist es, was wir in der Schweiz zur Zeit an Widerstand und Ablehnung gegen Asylbewerber erleben müssen.

Bettwil, eine kleine Gemeinde im Kanton Aargau, von der wohl noch kaum jemand in der Schweiz etwas gehört hat, ist zu einem Symbol geworden. Für einige ist sie das Symbol des Widerstandes. Passender erscheint mir aber das Symbol grenzenloser Ignoranz. Aufgrund der zugenommenen Asylgesuche in der Schweiz braucht der Bund dringend Plätze, um die Asylbewerber unterzubringen. Diese Unterkünfte sind aber rar, was nicht zu Letzt auf die Sparmassnahmen und falschen Prognosen des ehemaligen Justizministers Christoph Blocher zurückzuführen ist. Blocher ist nämlich davon ausgegangen, dass die Schweiz jährlich maximal 10’000 Flüchtlingsgesuche zu behandeln hat. Entsprechend wurde bei den Kantonen Kapazitäten gestrichen und Geld für Reservekapazitäten gestrichen.  Alleine dieses Jahr haben wir über 15’000 Asylgesuche, genauso wie letztes Jahr. Dabei wird die Schweiz verglichen mit der Vergangenheit gar nicht von Flüchtlingen überschwemmt. Während es in diesem Jahr bisher über 15’000 Asylsuchende waren, hatten wir während des Krieges im Balkan im Jahre 1995 über 47’000 Asylgesuche. 2002 waren es über 26’000 Asylgesuche. Wenn wir also in die letzten Jahre schauen, werden wir keineswegs von Flüchtlingen überrannt, das einzige Problem ist, dass man entsprechende Plätze weggekürzt hat. Ups…

Um die Asylsuchenden -zumindest vorübergehend- trotzdem unterbringen zu können, muss der Bund diese verteilen. In der ganzen Schweiz sucht er fieberhaft nach Unterkünften. Unter anderem fand er die Militäranlage in Bettwil, in welcher er vorübergehend um die 140 Asylbewerber unterbringen wollte. Doch die Bettwiler laufen Sturm. Kantons- und Bundesvertreter wurden ausgebuht und medienwirksam protestieren die Bettwiler gegen die Unterbringung der Asylbewerber. Der Bund hat eingelenkt und spricht nun von 80-100 Aslysuchenden für eine maximale Dauer von 6 Monaten. Auch das kommt den Bettwilern nicht in die Tüte.

Die Bettwiler sehen sich als kleine Wilhelm Tells, die sich gegen die „Obrigkeit aus Bern“ wehren. Dabei geben die Bettwiler zu Protokoll sie seien nicht rassistisch und es ginge ihnen nicht um die Aslybewerber, sondern dass der Bund einfach entschieden hat, ohne zu fragen. Im nächsten Satz sagen dieselben Leute aber, dass die Aslybewerber ihre Gemeinde unsicher und ihre Frauen blöd anmachen würden. „Die Kinder können dann nicht mehr alleine zur Schule gehen.“ Aha… das Problem ist also nur, dass Bern die lieben Bettwiler vorher nicht gefragt hat, ob sie bereit wären, die Asylbewerber aufzunehmen. Wenn Bern also nett gefragt hätte, wären die Bettwiler sofort bereit gewesen, diese furchtbar kriminellen Asylbewerber aufzunehmen? Aber eben, rassistisch seien sie nicht! Newsflash an euch, liebe Bettwiler, Tunesier kollektiv zu verurteilen, sie als Kriminelle oder als Gefahr zu bezeichnen, ist Rassismus! Da ändert sich auch nichts dran, wenn ihr „mit Deutschen verheiratet“ seid oder „nichts gegen die Albanerfamilie im Dorf“ habt!

Doch die Bettwiler wollen ja Hand zu Lösungen bieten und haben einen äusserst grosszügigen Vorschlag: Sie wären bereit, ein paar Asylbewerber aufzunehmen, diese müssten aber interniert werden. Es sei schliesslich kein Menschenrecht, sich frei bewegen zu können,  meinte ein Bettwiler gegenüber dem Tages-Anzeiger.

In Birmensdorf, einer Gemeinde mit 5’900 Einwohnern, konnten 19 Flüchtlinge untergebracht werden. Bedingung: Eine „Asylantengasse“ musste her. Ein kleiner Schleichweg, welcher sicher stellen sollte, dass die Asylbewerber in ihre Unterkünfte gelangen, ohne das Quartier zu durchqueren.

Sind wir in der Schweiz bereits so weit gekommen? Die Asylbewerber müssen durch separate Gassen gehen und am besten gleich interniert werden. Erinnerungen an dunkle Zeiten werden wach. Zeiten, in denen es Judengassen gab und Juden interniert wurden.

Man kann es nicht anders sagen: Es ist zum Kotzen! Diese Menschen werden mit einer Welle des Hasses empfangen, die einen sprachlos zurück lässt. Die Humanität der Schweiz habe schliesslich ihre Grenzen, sagen die besorgten Bürger. Stimmt, diese Grenze scheint ziemlich schnell erreicht zu sein. Im Gegensatz zur Inhumanität dieser Bürger, diese scheint keine Grenzen zu kennen. Auch wenn diese ehrenwerten Eidgenossen sich als Winkelriede sehen, sie sind es nicht. Im Gegenteil, sie sind keine Helden, sie sind die Hetzer.

Offenheit gegenüber Erfahrungen anderer Gemeinden scheinen ihnen ebenso fremd wie Menschlichkeit. Dabei braucht man weder ein Gutmensch noch ein Professor zu sein, um zu erkennen, dass die meisten Gemeinden keine Probleme mit Asylbewerbern hatten. Natürlich gibt es auch unter Asylsuchenden Kriminelle. Das ist aber keine Mehrheit! So regt sich in einem Walliser Dorf mit 189 Einwohnern keinen Widerstand gegen die Unterbringung von 60 Asylbwerbern, weil man in der Vergangenheit keine schlechten Erfahrungen gemacht hat. Dasselbe gilt für die Gemeinde Utendorf in Bern, in welcher 100 Asylbewerber untergebracht werden sollen. Dies deckt sich übrigens auch mit Erfahrungen die ich machen durfte, als ich eine Zeit lang in einer Unterkunft für Asylbewerber gearbeitet habe, die Mehrheit der Asylsuchenden war anständig und keiner dieser Menschen hat jemals einem Kind aus der nahe gelegenen Schule auch  nur ein Haar gekrümmt. Aber eben, die besorgten Winkelrieds wissen es natürlich besser. Zu unbequem wäre es, das festgefahrene Weltbild zu hinterfragen, zu anstrengend, den Horizont ein klein wenig zu erweitern. Was nicht sein darf, kann schliesslich nicht sein!

In diesem ganzen Theater geht aber eines vergessen: Es geht um Menschen. Es sind Menschen auf der Flucht. Selbstverständlich gibt es darunter solche, die kein Anrecht auf Asyl bei uns haben und in ihre Heimat zurück müssen. Es sind aber auch viele Menschen drunter, die sich wirklich gegen Obrigkeiten gewehrt haben. Menschen, die Gefahr laufen, zu Tode gefoltert zu werden, wenn sie sich gegen „Obrigkeiten“ wehren. Es sind Menschen darunter die schreckliches durch machen mussten, die sich wohl gewünscht hätten, ihre grössten Sorgen wären die jener Bettwilerin, die Tränen in den Augen hat, weil sie die Kinder nicht mehr alleine spielen lassen kann, wenn Asylbewerber in ihr Dorf kommen. Niemand sagt, dass man alle Menschen, die hier um Asyl suchen, aufnehmen muss. Aber zumindest ein kleines Bisschen verdammten Anstand diesen Menschen gegenüber sollte von uns ehrenwerten Eidgenossen gefälligst nicht zu viel verlangt sein!

Denn in einer Gesellschaft, in der ganze Dörfer und Gemeinden Menschen vorverurteilen und gegen diese Hetzen, stimmt etwas nicht. Eine solche Gesellschaft ist unendlich weit von unserer eigenen Bundesverfassung entfernt, die besagt, dass sich die Stärke das Volkes am Wohle der Schwachen misst. Das hat mit der historischen humanitären Schweiz nichts mehr zu tun, genau so wenig wie mit einer zivilisierten Gesellschaft.

„Was, wenn an unserer Bushaltestelle plötzlich 20 Tunesier stehen?“ fragt ein Bettwiler. Wenn ich die Ereignisse der letzten Wochen ansehe, würden mir wohl 20 Bettwiler an einer Bushaltestelle grössere Sorgen bereiten!

7 12, 2011

Menschenrechte gelten auch am ESC!

2013-10-10T15:19:20+02:007. Dezember 2011|

Bald ist es soweit, am 10. Dezember 2011 findet die Endausscheidung des Eurovision Contest in der Schweiz statt. 14 Finalisten treten gegen einander an, um von uns an den Eurovision Song Contest 2012 in Baku (Aserbaidschan) geschickt zu werden.

Während sich Europa auf das jährliche Musikspektakel freut, bereitet sich auch Aserbaidschan vor. Während andere Länder damit beschäftigt wären, logistisch einen guten Ablauf vorzubereiten, reicht dies der Regierung in Aserbaidschan nicht. Diese bereitet sich nämlich auch politisch vor und sorgt dafür, dass sämtliche Kritik an der Regierung im Keime erstickt werden. Schliesslich will Aserbaidschan gut dastehen, da hat es keinen Platz für Leute, die auf die nicht vorhandenen Menschenrechte in ihrem Land hinweisen möchten. So geschehen auch mit Jabbar Savalan. Der 20-jährige hatte auf Facebook gegen Proteste an der Regierung aufgerufen. Er wurde dafür verhaftet und im Gefängnis so lange geschlagen, bis er ein Geständnis auf Drogenbesitz unterschrieb. Dafür wurde er für über zwei Jahre Gefängnis verurteilt.

Der 10. Dezember ist nicht nur der Tag der Schweizer Endausscheidung für den Eurovision, er ist auch der Tag der Menschenrechte. Amnesty International hat die Gelegenheit genutzt und den ESC Finalistinnen und Finalisten auf die schreckliche Menschenrechtssituation in Aserbaidschan aufmerksam gemacht und sie gebeten ein Zeichen für Menschenrechte zu setzen, indem sie einen „Free Me“ Pin am 10. Dezember tragen.

Eine hervorragende Gelegenheit, sollte man meinen, um für Menschenrechte weltweit einzustehen. Nur leider sieht dies das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) anders. Das SRF hat seine Finalistinnen und Finalisten daran erinnert, dass bei dieser kulturellen Veranstaltung keine politische Werbung oder Songtexte erlaubt sind und sich die Finalisten zuerst ein eigenes Bild machen sollen, bevor sie über Aserbaidschan urteilen. Bitte was?

Mal ganz abgesehen davon, dass einer der Finalisten einen Song mit dem Titel „Peace & Freedom“ hat, gibt es einen Unterschied zwischen politischer Werbung und Menschenrechten. Menschenrechte, und das ist ja der Witz der Sache, liebes SRF, sind universell und unteilbar und gelten für JEDEN MENSCHEN.  Das hat nichts, aber auch gar nichts mit politischer Werbung zu tun. Die Sache ist aber die, dass Aserbaidschan die Menschenrechte mit Füssen tritt. Jugendliche werden in Gefängnissen die Rippen gebrochen, damit sie angebliche Taten gestehen. Homosexuelle, immerhin eine wichtige Zielgruppe des ECS, haben in Aserbaidschan ebenfalls mit Gewalt seitens der Polizei zu rechnen. Im Vorfeld des Eurovision, dieses ach-so-schönen kulturellen Anlasses wird erst recht keine Kritik geduldet, wie wir am Beispiel von Jabbar Salvan sehen können.

Aserbaidschan soll diesen kulturellen Anlass nicht nutzen können, um erst recht noch mehr Menschen zu foltern und in Gefängnisse zu werfen. Darauf soll aufmerksam gemacht werden und nicht auf politische Statements. Niemand verlangt von Guillermo Sorya, dass er mit seinem Song „Baby Baby Baby“ ein Statement zu Abtreibungen abgibt und niemand verlangt von Sosofluo, dass sie sich mit ihrem Song „quand je ferme les yeux“ zur Sterbehilfe äussert. Es geht um universelle, unteilbare, für alle geltende Menschenrechte!

Trotzdem kann ich mir die Frage nicht ganz verkneifen, wieso das SRF auf seiner offiziellen ESC Website den Song „Peace & Freedom“ des Finalisten IVO als Einstehen für „Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit – eine Message, die sich nicht an geografischen Grenzen orientiert und die Menschen aufrütteln soll“ anpreist (Zitat SRF). Ein Kandidat darf über Peace & Freedom singen und die Menschen aufrütteln, aber die anderen Kandidaten und Kandidatinnen dürfen keinen „Free Me“ Pin tragen? Ist das nicht ein wenig inkonsequent?

Wie dem auch sei, Amnesty hat durchaus Recht, wenn es SRF Zynismus vorwirft. Es ist nämlich zynisch, wenn das SRF den ESC Kandidierenden empfiehlt, sich nach der Teilnahme in Aserbaidschan ein Bild zu machen. Wovon sollen sich die Finalistinnen und Finalisten denn ein Bild machen, wenn alles Kritiker weggesperrt werden und die Menschen in Angst leben müssen, gefoltert zu werden, wenn sie den Mund aufmachen? Vom netten Flughafenempfang? Vom Hotel, in das sie einquartiert werden? Von der bunten Bühne? Gerade als Schweizer Fernsehen, das gute Journalistinnen und Journalisten in der ganzen Welt hat, dürfte man mehr Sensibilität erwarten. Wären nämlich die Journalistinnen und Journalisten, die beim SRF arbeiten in Aserbaidschan geboren und würden dort ebenso ihrem Beruf nachgehen wollen, wie in der Schweiz, würden sie misshandelt und in Gefängnisse geworfen werden. Und das weiss das SRF auch ganz genau! Falls es aber mehr Informationen diesbezüglich benötigt, findet es hier einen ausführlichen Bericht zur Menschenrechtslage in Aserbaidschan.

Vor kurzem hat Viktor Giaccobbo, der eine Satire-Sendung auf SF hat, mit Amnesty International erfolgreich eine Kampagne gegen die Inhaftierung eines Künstlers in China gemacht. Die Kampagne war ein grosser Erfolg und nicht zuletzt deswegen wurde der Künstler wieder freigelassen.

Es wäre zu wünschen, dass das SRF auch in diesem Fall auf die Seite der Menschenrechte steht. Täglich hat das SRF über die Revolutionen in der arabischen Welt berichtet, als Leute für ihre Freiheit auf die Strasse gingen, dafür starben und Erfolg hatten. Als Land mit einer humanitären Tradition ist es unsere Pflicht, uns weltweit für Menschenrechte einzusetzen, wenn wir dies können. Das SRF nennt den Eurovision eine kulturelle Veranstaltung. Die humanitäre Tradition der Schweiz ist Teil unserer Kultur. Insofern würden sich die Kandidierenden nur an die Regeln halten, wenn sie am 10. Dezember dem Aufruf von Amnesty folgen würden.

Ich rufe alle Kandidatinnen und Kandidaten dazu auf, dies zu tun. Ich rufe das SRF auf, sich auf die humanitäre Tradition der Schweiz zu besinnen und Menschenrechte nicht über Kommerz zu stellen. Das wäre keine politische Werbung, sondern ein Bekenntnis zu den unteilbaren Menschenrechte, die für alle gelten!!

Die Petition für die Freilasssung von Jabbar Savalan (und weitere Petitionen) kann hier unterschrieben werden.

22 11, 2011

Ein offener Brief an Christophe Darbellay

2019-02-18T10:04:45+01:0022. November 2011|

Sehr geehrter Herr Nationalrat Darbellay,

Mit grossem Unverständnis habe ich Ihre Aussage gegenüber der Zeitung „Le Temps“ gelesen, in welcher Sie sich gegen das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare aussprechen und Ihre Parteimitglieder, die anderer Meinung sind, kritisieren. Auf das Argument der ständerätlichen Kommission, die für die Adoptionsrechte homosexueller Paare ist, dass es schon viele Kinder gibt, die bei homosexuellen Eltern aufwachsen, diese aber rechtlich nicht geschützt sei, antworten Sie mit den Worten „man legalisiert Kokain auch nicht nur weil es 500’000 Konsumenten gibt!“

Ich sehe schon, der Kampf um Adoptionsrechte geht langsam los. Nachdem die ständerätliche Kommission vom Bundesrat die Adoptionsrechte fordert (mit keiner Gegenstimme), versuchen es die Gegner mit einen Gegenangriff. Dass die Gegner von Adoptionsrechten keine Argumente haben, überrascht nicht. Wie primitiv ihre ablehnenden Begründungen sind, erstaunt aber doch.

Gerade Sie, Herr Darbellay, als CVP-Präsident und somit Präsident einer Partei, die sich als Familienpartei sieht, haben den Nerv, ca 30’000 Kinder mit Kokain zu vergleichen. Es ist nämlich ein Fakt, dass heute bereits bis zu 30’000 Kinder bei homosexuellen Elternpaaren aufwachsen und in einer rechtlich unsicheren Situation leben. Dass sämtliche Erfahrungen beweisen, dass Kinder bei homosexuellen Eltern gut aufwachsen, habe ich bereits Ihrem Nationalratskollegen Christian Wasserfallen erklärt (falls Sie die Fakten interessieren, hier klicken).

Als Präsident einer Familienpartei stellen Sie sich also nicht nur gegen das Kindeswohl, sondern stellen einen absurden und beleidigenden Vergleich an. Wissen Sie, Herr Darbellay, die Zeiten, in welchen man gewisse Familien als mehr wert als andere angesehen hat, erinnern an düstere Zeiten und sind endgültig vorbei. Sie können sich so abfällig über Regenbogenfamilien äussern wie Sie wollen, sie existieren trotzdem und sind kein Bisschen weniger wert, als Familien, die Ihrem ewiggestrigen Bild, wie eine perfekte Familie auszusehen hat, entsprechen!

Dabei wissen Sie doch ganz genau, dass Sie auf der falschen Seite der Geschichte stehen. Genauso wie jene auf der falschen Seite der Geschichte gestanden sind, die sich gegen ein Frauenstimmrecht in der Schweiz ausgesprochen haben, in den USA die Ehe zwischen Schwarzen und Weissen nicht zulassen wollten oder in Südafrika den Schwarzen kein Stimmrecht gewähren wollten. Denn unsere Gesellschaft entwickelt sich. Schwule und Lesben wird es immer geben, immer mehr Leute kennen homosexuelle Paare und wissen, dass diese gute Eltern sein können. Und auch die Zahl der Kinder homosexueller Eltern wird laufend zunehmen. Auf der ganzen Welt werden Adoptionsrechte laufend eingeführt werden und es werden weitere Gerichtsurteile, wie jenes des europäischen Menschenrechtshof folgen, das urteilte, dass ein Adoptionsverbot diskriminierend sei. Das wissen Sie doch so gut wie ich, auch wenn dies vielleicht im Wallis, also jener Kanton, für welchen Sie im Nationalrat sitzen, noch lange nicht mehrheitsfähig ist. Natürlich müssen Sie dafür sorgen, dass die heile katholische Welt im Wallis in Ordnung bleibt, schliesslich stehen die Zeichen auch dort auf Sinkflug für Ihre Partei (bei den letzten Wahlen hat Ihre Partei 3% Wähleranteil und einen Sitz verloren) und es ist auch noch nicht allzu lange her, dass ein Walliser CVP Politiker aufgrund seines Kokain-Videos, das seine betrogene Ex-Freundin den Medien zugespielt hat, schweizweit in die Schlagzeilen geraten ist (umso erstaunlicher, dass Sie nicht ein wenig mehr Sensibilität zu diesem Thema an den Tag legen, Herr Darbellay).

Auch wenn die Umfragen in der Schweiz zeigen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung Adoptionsrechte für homosexuelle Paare befürwortet, werden die Walliser wohl weiterhin gegen ein Adoptionsrecht sein. Leider, denn sonst würden Sie Ihre Meinung bestimmt ändern (wie wir bei den Atomfragen, Paralellimporten oder Bankenfragen gesehen haben). Und leider verfügen wir Befürworter der Adoptionsrechte auch nicht über 150’000 Franken, die wir Ihnen spenden können, damit Sie Ihre Meinung ändern (wie Sie dies damals nach der grosszügigen Spende der UBS getan haben).

Insofern leuchtet es ein, dass Sie nun auf einen billigen Populismus-Zug aufspringen und versuchen, Ihre davonlaufende Wählerschaft bei Stange zu halten. Vielleicht hoffen Sie aber auch nur, das nächste Mal von der CVP für den Walliser Staatsrat nominiert zu werden, nachdem das 2009 nicht geklappt hat. Nun, einen Unterstützer haben Sie ja in mir schon beinahe gewonnen; es ist mir nämlich lieber, wenn Sie mit solchen Ansichten hinter den Walliser Bergen, statt im Schweizer Parlament politisieren. Daher jedem seine Art zu politisieren. Wenn Ihr Populismus aber beginnt, Familien zu treffen und dem Kindeswohl zu schaden, hört der Spass jedoch auf! In diesem Thema ist es immer dasselbe: Man schiesst gegen homosexuelle Paare, trifft aber die Kinder! Dabei frage ich mich gerade auch aus christlicher Nächstenliebe, wie man solche Einstellungen haben kann, bei all dem Elend auf der Welt. Es gibt auf dieser Welt unzählige Kinder, die ohne Eltern aufwachsen müssen, Kinder die hungern und kein richtiges zu Hause haben, die nie in den Genuss von Elternliebe kommen werden. Wie kann einem Menschen, der Nächstenliebe gross schreibt, das Schicksal dieser Kinder weniger wert als sein Familienbild sein? Dass einem ultrakonservativen Fundamentalisten das egal ist, kann man nachvollziehen. Bei Ihnen, der sich als junger, moderner, familienfreundlicher CVP Politiker zu verkaufen versucht, ist das aber unverständlich. Obwohl… irgendwie passt es auch zu Ihrem Abstimmungsverhalten im Nationalrat, schliesslich haben Sie vor ein paar Jahren gegen eine historische Aufarbeitung der Schicksale von Verdingkinder in der Schweiz gestimmt. Vielleicht ist Ihr Etikett „familienfreundlich“ doch nur ein Schwindel.

Nachdem Sie für Ihre Aussage kritisiert wurden, haben Sie nun gesagt, dass Sie niemanden beleidigen und nur aufzeigen wollten, dass weil etwas existiert, es nicht legal sein muss. Mal ganz abgesehen davon, dass man in der Schweiz ungefähr mit den gleichen Argumenten das Frauenstimmrecht bekämpft hat, macht dies Ihre Aussage nicht besser, denn Sie bezeichnen Kinder noch immer als „etwas“. Aber ich verstehe schon, was Sie meinten und sehe das ja teilweise ähnlich. Ich meine, nur weil Deppen existieren, heisst das auch nicht, dass man deren dumme Aussagen akzeptieren muss (was auch nicht beleidigend gemeint ist, sondern lediglich den Grund meines Schreibens erklärt). Dass Sie aber auf Argumente zurück greifen mussten, die beleidigend sind, erstaunt nicht, es ist auch schwierig sachliche Argumente vorzubringen, wenn es schlicht keine gibt.

Daher mein Rat an Sie: Kümmern Sie sich bitte weiterhin um weltbewegende Themen wie das Burkaverbot, das Sie öffentlich gefordert haben. Suchen Sie weiterhin nach Antworten, wieso Sie sich gegen Kopftücher bei Musliminnen, nicht aber bei Nonnen sind. Das sind Ihre Kernthemen, bitte bleiben Sie dabei und lassen Sie die Finger von Regenbogenfamilien. Lassen Sie zu, dass die wahren Familienpolitiker Ihrer Partei im Parlament für Adoptionsrechte und somit familienfreundlich stimmen können. Wenn Ihnen Ihre davonlaufende Stammwählerschaft im konservativen Wallis wichtiger ist, können Sie im Nationalrat dagegen stimmen, so viel Sie wollen, aber schweigen Sie einfach besser, statt wehrlose Kinder zweier liebender Eltern mit Drogen zu vergleichen. Sonst verspielen Sie nicht nur Ihre Glaubwürdigkeit, sondern auch Ihre persönliche Integrität!

Freundliche Grüsse
Alan David Sanginés

27 10, 2011

Ein offener Brief an Christian Wasserfallen

2013-10-17T22:25:25+02:0027. Oktober 2011|

Sehr geehrter Herr Nationalrat Wasserfallen

Vor ein paar Wochen hat das „Mannschaft Magazin“ Ihnen einen offenen Brief geschickt, in welchem es Ihnen sein Bedauern zu Ihrem Abstimmungsverhalten bezüglich der Petition, die Adoptionsrechte für homosexuelle Paare fordert, mitgeteilt hat. Auf diesen Brief haben Sie folgendermassen geantwortet:

„Danke für Ihre Stellungnahme. Ich gebe es offen zu, dass ich zwar in wirtschaftlichen Belangen liberal bin, das aber bei gesellschaftlichen Fragen nicht so ist. Ich bin nicht überzeugt davon, dass gleichgeschlechtliche Paare auch Eltern sein sollen. Das entspricht nicht meinen persönlichen Grundhaltungen. Diese Diskussion ist denn auch gar nicht rein argumentativ zu führen sondern basiert halt wirklich auf individuellen Grundwerten. In der Politik gibt es auch die Situation, wo man einmal verliert und ein anderes Mal gewinnt. Danke für Ihre Kenntnisnahme.“

Quelle: Mannschaft Magazin

Bitte erlauben Sie mir ein paar Bemerkungen dazu. Es ist bereits schlimm genug, dass die Mehrheit der Nationalrätinnen und Nationalräte der angeblich liberalen FDP gegen die Aufhebung des Adoptionsverbotes für homosexuelle Paare gestimmt haben. Ihre Antwort ist aber nicht nur als liberaler Sicht erschütternd.

Immerhin haben Sie zugegeben, dass Sie nur in wirtschaftlichen Belangen liberal sind, nicht aber in gesellschaftlichen. Mich wundert das zwar, weil die FDP sich immer gerne als die liberalste Partei der Schweiz darstellt, aber im Falle dass Sie an Ihrer Position festhalten, bin ich mir sicher, dass Sie dafür sorgen werden, dass die FDP von nun an nicht als „FDP – die Liberalen“, sondern als „FDP – die wirtschaftsliberalen Konservativen“ auftreten wird.

Nun aber zur Kernaussage Ihres Schreibens. Sie sagen, dass Sie gegen die Aufhebung eines Verbotes sind, dies aber argumentativ nicht begründen können?! Sie, als Nationalrat einer Partei, die sich immer gegen Verbote stellt und für möglichst wenig Einmischung des Staates gegenüber dem Volk ist („mehr Freiheit, weniger Staat“ stammt doch von Ihrer Partei), wollen also ein staatliches Verbot aufrecht erhalten, obwohl Sie nicht mal Argumente dafür haben und sich einzig auf eine „persönliche Grundhaltung“ stützen? Sie rechtfertigen aber nicht nur ein Verbot, sondern eine offensichtliche Diskriminierung und eine stossende Rechtsungleichheit mit Ihren „individuellen Grundwerten“? Eine solche Haltung könnte man vielleicht von kleinen Kindern oder fundamentalistischen Christen erwarten, aber nicht von einem gewählten Nationalrat, der als einer seiner politischen Schwerpunkte die Stärkung der Bildung nennt. Dies macht die Sache umso schlimmer. Wären wir hier in einem Strafrechtsprozess könnte man beim fundamentalistischen Christen noch von einer gewissen Unzurechnungsfähigkeit sprechen. Bei Ihnen hingegen müsste man von einer Absicht und vollen Schuldfähigkeit ausgehen!

Da Sie ja keine Argumente (bis auf Ihre Grundhaltung, was eben kein Argument ist), zu haben scheinen, hier ein paar Fakten, die sich vielleicht doch auf Ihre Grundhaltung auswirken dürften:

  • In acht Ländern Europas ist es homosexuellen Paaren erlaubt, Kinder zu adoptieren. Dazu gehören sowohl das katholisch geprägte Spanien, als auch die fortschrittlichen skandinavischen Länder (gemäss Ihrer Website immerhin Ihre Lieblingsferiendestination). Die Hälfte der amerikanischen Bundesstaaten erlauben homosexuellen Paaren die Adoption ebenfalls. Bemerkenswert dabei ist besonders, dass die Adoption sogar in ultra konservativen Staaten wie Tennessee oder Alaska erlaubt ist. Sogar also in jenen Staaten, in welchen die Konservativen erbittert gegen die Homoehe kämpfen, hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Homosexuelle gute Eltern sein können.
  • Weitere Länder, die das volle Adoptionsrecht kennen, sind unter anderem die ebenfalls eher konservativen Länder Argentinien, Uruguay und Brasilien.
  • Dazu kommen zahlreiche Länder, welche die Stiefkindadoption kennen.
  • Die Frage, wie Kinder bei homosexuellen Eltern aufwachsen, ist in unzähligen Studien bereits untersucht worden. Die wohl bekannteste Studie ist die 2009 veröffentlichte Studie der Universität Bamberg, die belegt, dass Kinder von homosexuellen Eltern gleich gut wie bei heterosexuellen Eltern aufwachsen. Sämtliche Studien, die auf diesem Bereich durchgeführt wurden, kamen zum selben Schluss.  Die Forschung, deren Förderung Sie ja als eines Ihrer politischen Schwerpunkte genannt haben, ist hier also einer Meinung.
  • In der Schweiz leben heute schätzungsweise 6’000 – 30’000 Kindern bei homosexuellen Paaren. Diese Kinder leben heute in einer völlig rechtsfreien Situation. Mindestens ein Elternteil braucht immer eine Vollmacht, wenn er oder sie die Kinder aus der Krippe abholen, zum Arzt bringen oder an Elterngesprächen teilnehmen wollen. Stirbt der leibliche Elternteil kann das Kind seinem anderen Elternteil weggenommen werden, stirbt der andere Elternteil, hat das Kind keinerlei Erbrechte. Dies führt also dazu, dass Kinder die Leidtragenden sind.
  • Wenn ich als homosexueller, aber alleinstehender Mann ein Kind adoptieren will, kann ich das. Sobald ich mit meinem Partner aber ein Kind adoptieren will, kann ich das nicht mehr. Das Gesetz erlaubt es also, dass ich alleine ein Kind adoptiere, mit meinem Partner aber nicht. Das Kind soll also lieber nur einen statt zwei Elternteile haben. Finden Sie das logisch?
  • Dass das Adoptionsverbot für homosexuelle Paare eine Diskriminierung und rechtsstaatlich bedenklich ist, hat sogar die Rechtskommission des Nationalrats anerkannt. Aber auch der Europäische Menschenrechtshof ist dieser Ansicht.

So viel zu den Fakten.

Geradezu an menschenverachtender Arroganz grenzt Ihre Aussage, dass es in der Politik Situationen gibt, wo man einmal verliert und ein anderes Mal gewinnt. Bitte was? Gerade Sie, als eine Person, die nicht zuletzt dank der Bekanntheit Ihres Vaters eine steile politische Karriere hinlegen konnten, sollten in dieser Frage etwas sensibilisierter sein. In dieser Frage geht es nicht um einen Fussballmatch wo man einmal gewinnt und einmal verliert. Es geht nicht um ein politisches Powerplay. Es geht nicht um eine Wahl in ein Parlament. Es geht um das Leben von Kindern! Es geht um verbaute Zukunftschancen von Kindern, die ohne Eltern aufwachsen, dies aber könnten! Es geht darum, Kindern Elternliebe zu verweigern! Können Sie allen ernstes einem Kind, das gerne bei zwei liebenden Eltern aufwachsen würde in die Augen schauen und sagen „tja, ich habe zwar keine Argumente, aber meine Grundhaltung will jetzt nicht, dass du die Chance auf Elternliebe erhälst, manchmal verliert man eben, Pech gehabt, Kumpel“?!

Die Fakten haben wir schliesslich behandelt. Aber da Sie aus „persönlicher Grundhaltung“ gegen die Aufhebung des Adoptionsverbotes sind, versuche ich es noch mit folgenden Überlegungen:

Stellen Sie sich vor, Sie und Ihre Partnerin würden gerne ein Kind adoptieren. Nun kommt das Parlament und sagt, dass es ein Adoptionsverbot für Wasserfallens geben sollte. Einen Grund dafür braucht es keinen, schliesslich ist das die persönliche Grundhaltung des Parlaments. Wäre das für Sie in Ordnung?

Oder stellen Sie sich vor, Sie leben mit einer Partnerin zusammen, die bereits ein Kind hat. Das Kind wächst bei Ihnen auf, nach zwölf Jahren verunfallt aber die Mutter des Kindes und stirbt. Sie können das Kind gesetzlich aber nicht adoptieren, weil das den Wasserfallens dieses Landes halt nicht erlaubt ist. Das Kind könnte Ihnen weggenommen werden. Pech gehabt, Mann, manchmal verliert man im Leben!

Wie Sie sehen gibt es also überhaupt keinen Grund, weder einen persönlichen, geschweige denn einen wissenschaftlichen, um das Adoptionsverbot aufrecht zu erhalten. Aus diesem Grund appelliere ich an Ihr liberales Gewissen (unnötige staatliche Verbote abzuschaffen), an Ihr wissenschaftliches Verständnis (Erkenntnisse sämtlicher Studien, dass Kinder bei homosexuellen Eltern gut aufwachsen), an Ihre menschlichen Gefühle (Kindern ein gutes zu Hause zu ermöglichen), an Ihr rechtsstaatliches Verständnis (keine gesetzliche Diskriminierung homosexueller Paare) und an Ihren gesunden Menschenverstand (alle oben genannten Punkte zusammen): Noch ist es nicht zu spät! Im Parlament sind zwei Motionen hängig, die Adoptionsrechte für homosexuelle Paare fordern.

Ich bitte Sie, Ihrer liberalen Etikette gerecht zu werden und beiden Motionen zuzustimmen und dieses Land zu einem fortschrittlichen und besseren Ort zu machen, wo das Kindeswohl und keine konservativen Denkweisen im Vordergrund stehen!

Besten Dank!

Freundliche Grüsse

Alan David Sanginés

8 10, 2011

Ein paar Gedanken zum Coming Out Day

2013-10-10T15:07:43+02:008. Oktober 2011|

Am 11. Oktober ist wieder Coming Out Day. Der Tag, an dem alle homo-, bi- und transsexuelle Menschen aufgerufen sind, sich zu outen und somit zu ihrer sexuellen Orientierung zu stehen.

Ist ein solcher Tag überhaupt nötig? Heute haben die LGBTs (=Lesbian Gay Bisexual Transgeder) viel erreicht und brauchen einen solchen Tag überhaupt nicht, könnte man meinen.

Noch immer gibt es unzählige Menschen, die mit ihrer sexuellen Orientierung ringen. Noch immer gibt es starke konservative Strömungen, die alles tun, um unsere Rechte zu torpedieren und unsere mühsam erkämpften Fortschritte in der Gesellschaft zurück zu drängen. Noch immer ist die Selbstmordrate unter homosexuellen Jugendlichen um ein vielfaches höher, als bei heterosexuellen Jugendlichen. In den USA wurde kürzlich spektakulär über die Selbstmorde Jugendlicher berichtet, die sich das Leben genommen haben, weil sie aufgrund ihrer Homosexualität gemobbt wurden. Solche Fälle gibt es in jedem Land dieser Welt.

Auf der anderen Seite ist die beste Wirkung, um Vorurteile und Hass gegen LGBTs abzubauen, wenn man diese kennt. Es ist viel leichter, über Menschen zu wettern, die einem fremd sind. Sobald viele Leute, die LGBTs ablehnend gegenüber stehen, feststellen, dass es in ihrem Umfeld durchaus LGBTs gibt, werden sie gezwungen sein, sich mit diesem Thema auf einer anderer Ebene auseinander zu setzen und müssen ihre Vorurteile automatisch hinterfragen. Ich spreche aus Erfahrung, Leute aus meinem Umfeld, die früher grosse Mühe mit dem Thema Homosexualität hatten, haben seit meinem Outing eine völlig neue Sichtweise auf dieses Thema und akzeptieren Homosexuelle nun völlig.

Viel wichtiger ist es aber, dass jene Menschen, die ihre Orientierung geheim halten, merken, dass dieses Versteckspiel eine unheimliche Belastung ist, die gar nicht nötig wäre. Dieses Versteckspiel ist ein Teufelskreis – eine Spirale die nur abwärts gehen kann. Denn auch wenn man sein Umfeld belügen kann, man kann sich niemals selber belügen. Selbstverständlich gibt es Fälle, in denen akute Gefahr (physisch oder psychisch) für Menschen besteht, wenn sie sich outen. Dennoch sollten sie an diesem Tag daran erinnert werden, dass sie sich Hilfe holen können. Dass sie sich ein Umfeld suchen können, das so ist wie sie, in welchem sie akzeptiert werden, wie sie sind und nicht dafür was sie zu sein vorgeben.

Dies auch als Aufruf an alle geoutete LGBTs: Wir dürfen uns nicht zurück lehnen. Es gibt viele konservative Gruppierungen die uns bekämpfen wann und wo sie können. Sie werden auch den 11. Oktober zum Anlass nehmen, uns als krank oder verwirrt darzustellen. Wir müssen lauter sein!

Wir müssen diesen Tag nutzen, um unser Coming Out anzusprechen. An unser Coming Out erinnern. All die Menschen wieder daran erinnern, dass es uns gibt, dass es uns gut geht und dass wir zwar sexuell anders, aber dennoch ein gleichwertiger Teil der Gesellschaft sind. Wir müssen zeigen, dass wir STOLZ darauf sind, homo- bi oder transsexuell zu sein zu sein. Und zwar nicht stolz auf die Tatsache, dass wir dies sind (für unsere sexuelle Orientierung können wir nichts, auch wenn ein paar Deppen das noch immer nicht begriffen haben), sondern darauf, dass wir zu uns stehen können. Stolz darauf sein, dass wir uns unseren Platz in der Gesellschaft erkämpft haben, trotz massiver Gegenwehr und Hetze konservativer Ewiggestriger. Stolz darauf, dass wir mit unserer Sexualität zufrieden sein können. Und letztendlich zeigen, dass Heterosexualität nicht normaler, sondern nur häufiger ist (zur Erinnerung: in über tausend Spezies wurde Homosexualität festgestellt).

Und all die Konservativen, die den 11. Oktober einmal mehr nutzen wollen, um uns zu bekämpfen, um zu behaupten, wir seien verwirrt, krank oder abnormal: Schaut genau hin. Wir sind viele, wir stehen zu uns, wir haben unseren Platz in der Gesellschaft erkämpft und kämpfen für all jene, die noch nicht daran glauben, dass sie auch als LGBT einen Platz in der Gesellschaft haben. Wir werden euren Hass weiterhin zurück drängen. Jede Person, die am 11. Oktober zu ihrem Coming Out steht, steht auch dafür, dass ihr gescheitert seid und auch weiterhin scheitern werdet. Schliesslich liegt es an der Natur der Sache, dass ihr weiterhin scheitern werdet, zumal Homosexualität in über tausend Spezies festgestellt wurde, während Homophobie nur in einer vorkommt. Abnormal ist als einzig euer Gedankengut. Natürlich werdet ihr nicht aufgeben und weiterhin eure bestenfalls gut gemeinten Heilungsratschläge, schlimmstenfalls eure hasserfüllten Tiraden auf uns los lassen und gegen unsere Rechte kämpfen. Wenn ihr’s nicht lassen könnt, nur zu – wir sind bereit!

14 09, 2011

Gemeinderat: Begleitgruppe für den Strichplatz

2013-10-10T15:07:05+02:0014. September 2011|

Am 13. Juli 2011 reichten Uschi Heinrich (SP) und ich im Zürcher Gemeinderat einen Vorstoss ein, der forderte, dass für den geplanten Strichplatz eine Begleitgruppe bestehend aus direkt Betroffenen eingesetzt wird.

Am 14. September 2011 diskutierte der Gemeinderat über diesen Vorstoss (Votum).

Eine Mehrheit des Gemeinderates stimmte dem Vorstoss mit 57 zu 46 Stimmen zu. Die Begleitgruppe ist in der Zwischenzeit ins Leben gerufen worden und tagt regelmässig.

 

9 09, 2011

Unterhaltspflicht: Wenn Opfer zu Tätern gemacht werden

2013-10-10T14:56:59+02:009. September 2011|

Die Geschichte ist eigentlich nicht neu. Der Vater eines Kindes vernachlässigt seine Unterhaltspflicht, die Mutter muss das Geld gerichtlich einfordern. In diesem Fall ist aber etwas doch neu. Die Böse ist die Mutter, das Opfer der nicht zahlende Vater. Unglaublich aber wahr, eine Schweizer Boulevardzeitung schafft es tatsächlich in diesem Fall die Mutter zur Täterin zu machen.

Vor kurzem publizierte eine Schweizer Boulevardzeitung einen Artikel, wonach Nationalrätin Chantal Galladé ihren Ex-Partner und Vater ihres Kindes gerichtlich zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht (in Form von Nachzahlungen für die Teuerung) für die gemeinsame Tochter zwingen will. Dabei geht es laut der Zeitung um einen Betrag von 50.- für welchen die böse, gut verdienende Nationalrätin den armen Vater ihres Kindes in die Mühlen der Justiz zerrt. Ausserdem habe sie die Frechheit, dies mit Hilfe ihres Lebenspartners, Nationalratskollegen und Strafrechtsprofessors Daniel Jositsch, zu tun.

Die Kommentarspalten sind voller empörten Meinungen, die Chantal Galladé mit Häme überschütteten und sogar die Zeitungen berichten von wütenden Leserreaktionen, die sich gegen Chantal Galladé richten. Einem SVP Nationalrat platzte ab dieser Ungeheuerlichkeit derart der Kragen, dass er eine Motion einreichen will, welche verhindern soll, dass man Klagen gegen nicht zahlende Elternteile einreichen kann, wenn es sich um Nachzahlungen handelt.

Willkommen in der Bananenrepublik Schweiz, in der Mütter, die für die Rechte ihrer Kinder klagen die Bösen und die nicht zahlenden, gut verdienenden Väter die Opfer sind.

Wie heuchlerisch die Empörungen doch sind. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Teuerung, die in Unterhaltsverträgen vorgesehen ist. Dies ist darum logisch, weil der Wert des Geldes zwischen Geburt und Erwachsenwerden eines Kindes enorm schwanken kann. Im vorliegenden Fall geht es um einen monatlichen Betrag von 50.-, der rückwirkend 3’200.- ausmacht und bis zum 20-25 Altersjahr der Tochter 20’000.- ausmachen kann. Mich würde die Reaktionen der sich empörenden Personen interessieren, wenn ihren Kindern ein solcher Betrag zustehen würde. Ebenfalls würde mich die Reaktion dieser Leute interessieren, wenn ihnen eine solche, ihnen vertraglich zustehende Teuerung, zum Beispiel bei ihrem Lohn nicht ausbezahlt würde.

Wichtiger als das Finanzielle ist aber das Prinzip. Es gibt viele allein erziehende Mütter, die ihren Kindern zustehende Unterhaltszahlungen nicht erhalten. Aus diesem Grund gibt es den Strafbestand „Vernachlässigen der Unterhaltspflicht“ gemäss Art. 217 StGB schliesslich. Natürlich gibt es Väter, die selber am Existenzminimum leben und darauf muss entsprechend Rücksicht genommen werden (dazu weiter unten). In diesem Fall geht es aber um einen Rektor einer Berufsfachschule, der laut kantonalen Richtlinien sehr gut verdient (mehr als Nationalräte). Es kann, darf und soll nicht sein, dass Väter mit solchen Löhnen ihren Unterhaltspflichten nicht nachkommen und die, für sie tatsächlich läppischen 50.- pro Monat, nicht zahlen. Dieser Betrag ist für eine solch gut verdienende Person ein Klacks. Für ein Kind kann dies aber einen Unterschied von 20’000.- machen. Die Empörung über den Betrag hat sich also nicht gegen die klagende Mutter, sondern gegen den nicht zahlenden Vater zu richten.

Dass ein SVP Nationalrat nun Morgenluft wittert und den Strafbestand der „Vernachlässigung von Unterhaltspflichten“ für Nachzahlungen streichen will, ist allerdings Grund zur Empörung. Dies zeugt von einer enormen Geringschätzung allein erziehender Eltern und würde bedeuten, dass die unterhaltspflichtigen Personen geradezu ermutigt werden, zu wenig Unterhalt für ein Kind zu zahlen, da sie kaum Konsequenzen zu befürchten hätten. Die Aussage, es gäbe viele Menschen mit unteren und mittleren Einkommen, die sich eine solche Nachzahlung nicht leisten könnten, zeugt ausserdem von einem grossen Unverständnis und völliger Ahnungslosigkeit des Artikels im Strafgesetzbuch. In diesem steht nämlich, dass sich nur strafbar macht, wer seiner Pflicht nicht nachkommt, obschon er die Mittel dazu hat. Dem eifrigen SVP Nationalrat sei daher empfohlen, sich zu informieren, bevor er sich über vermeintlich ungerechte Strafgesetzbuchartikel empört.

Am lächerlichsten ist aber die Empörung darüber, dass Chantal Galladé sich von ihrem Partner vertreten lässt. Wer bitteschön würde sich in einem ähnlichen Fall nicht von seinem Partner vertreten lassen, wenn dieser Anwalt ist? Wer sich allen ernstes darüber empört, dass Partner (oder auch Freunde) sich gegenseitig unterstützen, hat eine sehr seltsame Auffassung von Beziehungen.

Der wahre Skandal an der Geschichte ist, dass es noch immer Mütter (aber auch Väter) gibt, welche die Unterhaltszahlung von vermögenden Vätern (oder Müttern) an ihre Kinder gerichtlich erzwingen müssen. Alle anderen künstlich hochstilisierten Empörungen in dieser Geschichte sind nichts weiter als heuchlerisch und entbehren jeglicher Grundlage!

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